Ein ungewöhnlich breites Repertoire vom frühesten Barock bis zur zeitgenössischen Musik zeugt von der Flexibilität und Neugierde des in Vilnius/Litauen geborenen Cellisten und Dirigenten David Geringas. Der Rostropowitsch-Schüler und Gewinner des 1. Preises und der Goldmedaille beim Tschaikowsky-Wettbewerb (1970) kann nunmehr auf seine jahrzehntelange Karriere und somit auch auf die jahrzehntelange Beschäftigung mit Bachs Cello-Suiten zurückblicken.
Was hat es denn eigentlich auf sich mit Bachs Cello-Suiten? Lutz Lesle schreibt im Booklet: »Bachs Wagnis, mitten im Generalbasszeitalter auf jegliches Bassfundament zu verzichten und das unbegleitete Saiteninstrument in eine teils verborgene, teils offenbare Mehrstimmigkeit zu verwickeln, kam tonsprachlich einem Quantensprung gleich.« Kurzum: Bach komponierte für die damalige Zeit höchst ungewöhnliche, moderne Musik. Klingt nicht Bach auch jetzt noch so modern wie Musik von heute? David Geringas widmete sich zeit seines Lebens der Erarbeitung, Aufführung und Entdeckung Neuer Musik, und so entstand die Idee, Bachs Cello-Suiten mit Werken zeitgenössischer Komponisten zu kombinieren – als Versatzstücke, Bindeglieder, Trenner oder Vermittler. Dabei gibt es bei den ausgewählten zeitgenössischen Kompositionen nur zum Teil einen direkten Bezug durch die Verwendung von Fragmenten von Bach. Die neuen Werke haben mehr Bezüge durch die passende Stimmung, Verinnerlichung, Tonart, Charakter. Die Auswahl fiel nicht leicht, und neben den von David Geringas häufiger gespielten Werken von Pablo Casals, Sofia Gubaidulina, Ernst Krenek, Victor Suslin und Peteris Vasks finden sich auch neue, unbekannte und zum Teil bisher unveröffentlichte Stücke z.B. von John Corigliano und David Geringas selbst. Als Einleitung zur 5. Suite und speziell für die CD komponiert wurde das Interludium von Anatolijus Šenderovas, der seit der Kindheit eng mit David Geringas befreundet ist. Klanglich ist die CD eine Rarität, da sie über mehrere Jahre entstanden ist und auf drei verschiedenen Celli eingespielt wurde. Die Suiten Nr. 2, 3 und 4 spielt David Geringas auf dem Giuseppe Guarneri del Gesù Cello „Messeas“ von 1731, das David Geringas im Jahr 2000 zur Verfügung gestellt wurde. Die Suiten Nr. 1 und 5 und alle zeitgenössischen Werke erklingen auf dem Cello von Giovanni Battista Guadagnini, gebaut 1761 in Parma. Die 6. Suite in D-Dur schrieb Bach für ein fünfsaitiges Instrument: ein Violoncello mit zusätzlicher Diskantsaite e’. David Geringas hält sich an Bachs Vorgabe und spielt auf einem fünfsaitigen Violoncello, gebaut von Hubert Schnorr zu Bachs 300. Geburtstag im Jahre 1985. Wie schon bei seiner erfolgreichen Konzertreihe 2004 in der Berliner Philharmonie mit Beethoven Plus, in der David Geringas alle Beethoven-Sonaten mit Werken der slawischen Romantik kombiniert hatte, hat er nun eine spannende Kombination mit Bachs Cello-Suiten gefunden. Bach Plus!