Anatolijus Senderovas und David Geringas widmen sich gegenseitig: der eine die Kompositionen, der andere eine große neue CD.
Der litauische Cellist David Geringas setzt seine vielfältigen Fähigkeiten und Repertoirekenntnisse immer wieder ein, um zeitgenössische Komponisten des hohen Nordens, und des Baltikums im Besonderen, aufzuführen, und durch die auf ihm gebündelte Aufmerksamkeit zu fördern. Da in dieser Tätigkeit das weit verbreitete, aber etwas schwer zu fassende Wort ‘Kulturaustausch’mit klingendem Leben und echtem kulturellen Mehrwert gefüllt wird, erhielt Geringas dafür nicht nur die höchsten kulturellen Auszeichnungen seines Landes, z.B. den ‘Großfürst Gedinas-Orden’, sondern auch das Bundesverdienstkreuz seiner Wahlheimat Deutschland, wo er in Berlin eine selbst bereits berühmte Hochschulklasse führt. Dass viele seiner Schüler international Karriere gemacht haben, ist wiederum eine lohnende Leistung des kulturellen Wachstums.
Zeugnis hiervon, in vielen Kopplungen und Rückkopplungen, legt auch Geringas’ neue CD mit Werken des litauischen Komponisten Anatolijus Senderovas ab: und so wie die ganze CD diesem Komponisten gewidmet ist, sind auch alle zu hörenden Werke diesem Cellisten gewidmet, und von ihm uraufgeführt worden. Die Zusammenarbeit und Freundschaft von Geringas und Senderovas geht bis in Kindertage zurück. Senderovas, der 1945 geboren wurde, gilt mit seiner moderat modernen Tonsprache, die sich aber aller ‘traditionellen Avantgardestilmittel’ (das ist ja heute kein Widerspruch mehr) beizeiten bedient, gilt bereits zu Lebzeiten als litauischer Klassiker; sein Schaffen reicht von Ballette, über Symphonien und Kammermusik, bis hin zur Filmmusik. Auf der vorliegenden CD finden sich fünf Werke mit Solocello und je wechselnder Begleitung. Neben dem traditionellen Begleitinstrument Klavier auch etwa die ungewöhnliche Besetzung ‘für Cello, Bajan, Percussion und Tonbandaufnahme’, im auf biblische Motive zurückgehenden ‘Songs of Shulamith’. Ebenfalls biblisch angehaucht, aber wohl auch sehr konkret benannt, ist das Stück, das der ganzen CD den Namen leiht: David’s Song. Und welch gute Früchte diese enorm lange Zusammenarbeit von Komponist und Musiker getragen hat, lässt sich hören.
Nun wäre ja alles oben genannte Engagement nicht so wirkungsmächtig, und aller kultureller Mehrwert nicht so massiv, wenn Geringas nicht zuförderst ein exzellenter Cellist wäre, der eine schier erschlagende Vielfalt von Stilmitteln zu stilsicheren Gestaltungen verbinden könnte, und scheinbar unerschöpflich Reserven parat hält. Dass er sich in diesen Kompositionen genussvoll austoben kann, wird schon in den ersten Sekunden dieser neuen CD nach einem (wortwörtlichen) Paukenschlag deutlich. Die ‘Sonata für Cello und Percussion’ beginnt furios. Cello und Percussion schwellen hier gemeinsam, dank der Fülle an Klängen, die dem Percussionisten Pavel Giunter, und dem enormen Klangvolumen, das Geringas zu Gebote steht, zu einer geradezu orchestralen Dichte an. Noch direkter wirkt das in den ‘Songs of Shulamith’, der längsten und wohl auch gewichtigsten Komposition Senderovas auf dieser CD. Durch die ungewöhnliche Besetzung und die surreale Schichtung der Instrumente entsteht hier ein erstaunlicher Höreindruck. Die Percussion, die hier gar auf zwei Mann aufgestockt wurde, webt beständig an einem glitzrigen, vibrierenden Hintergrundteppich, auf dem Cello und Bajan zwischen Melancholie, Exaltiertheit und Sturm herumtaumeln, in einem ständigen An- und Abschwillen der Musik. Das Werk wurde ursprünglich für Gesang und großes Orchester geschrieben, aber weder vermisst man hier den raumgreifenden Orchesterklang, noch die Stimme. Die zarten, exotisch orientalisierenden Melodien vermag Geringas auf dem Cello zu singen.
Dieses Singen kann ich, fast entgegen einer Gewohnheit, ohne schmückendes Beiwort stehen lassen. Es hat wohl genau den bravourösen Beiklang, um die Leistung der Musiker zu würdigen.