Mit Werken von Dvorak und Beethoven hat David Geringas am Sonntagabend das Usedomer Musikfestival im Beisein von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) im Heringsdorfer Kaiserbädersaal eröffnet. Auch eine Uraufführung war dabei.
Wer David Geringas jemals beim Usedomer Musikfestival erlebt hat, weiß dieser Mann ist für Überraschungen gut. Und so erlebte man den litauischen Cello-Meister zur Eröffnung des Usedomer Musikfestivals im Heringsdorfer Kaiserbädersaal nicht nur als brillanten Solisten, der mit dem warmen Klang seines Instruments zuweilen auch litauische Herzenswärme in den Kaiserbädersaal sandte, sondern auch den Dirigenten Geringas.
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Und dieser Dirigent präsentierte ein vielschichtiges Programm, mit zuweilen singendem Orchester, hervorragend aufspielenden Solisten und einem Programm, das man so weder in internationalen Konzerthäusern noch auf anderen Festivals hören dürfte. Die Gäste aus Klaipeda präsentierten sich in reiner Streicherbesetzung als Kammerorchester mit allen Qualitäten eines namhaften professionellen Ensembles, die gemeinsam mit dem dirigierenden Cellisten als Botschafter seines Landes für sich und ihr länderverbindendes Anliegen einnahmen. Da waren sich die 300 Gäste dieses Eröffnungskonzertes, darunter viele Musikkenner aus dem benachbarten Polen, im schönsten Konzertsaal der Insel einig. Denn natürlich ist der weltberühmte Cellist David Geringas sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite der Insel Usedom ein Zugpferd – der Eröffnungsabend war wie viele andere Konzerte ausverkauft.
Dieser länderverbindende Gedanke zwischen den Ostseeanrainern ist es auch, was das Usedomer Musikfestival so einzigartig macht, fand auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in ihrem Grußwort anlässlich der Festivaleröffnung. Während des Konzerts war zu beobachten, wie sie besonders bei Geringas’ Celloklängen und während des Auftritts von Tenor Rafailas Karpis die Musik sichtlich genoss – mit wippenden Füßen und breitem Lächeln im Gesicht.
„Denn er erfreut nicht nur Musikbegeisterte mit einem Spiel, bei dem er seinem Cello nicht Töne entlockt, sondern Leben einhaucht – das Instrument bringt er zum Weinen, Lachen, Singen. Aber gibt auch noch Meisterkurse, um den musikalischen Nachwuchs das erforderliche Rüstzeug mitzugeben, damit auch sie in der obersten Liga mitspielen können. Dafür kann man dem Mann gar nicht genug danken. Zu Recht wird er in diesem Jahr, wo sein Heimatland Litauen im Mittelpunkt steht, gleich mit sieben Konzerten geehrt“, findet Seelige-Steinhoff.
Besondere Akzente des Konzertes lagen auf Beethoven und jüdischer Musik. Ersterem widmete der litauische Komponist Donatas Prusevičius, der in Berlin lebt, gar eine Uraufführung. In seiner „Hommage an Beethoven“, für das Gedenkjahr 2020 komponiert, nutzt er einige prägende Motive des Meisters (5. und 9. Sinfonie) und die Harmonik litauischer Volksmusik für eine ideelle wie musikalische Auseinandersetzung mit der erklärten Absicht, den Geist Beethovens zu beschwören. Beethoven (fast) original war ebenfalls im Kaiserbädersaal zu hören: sein Streichquartett op. 95 in einer Fassung Gustav Mahlers – und mit David Geringas. Ein Prüfstein für das wieder bestens disponierte Orchester und dem Kenner interessant genug, um das Original noch höher zu schätzen.
Schwer vergleichbar, aber die wohl individuellsten Stücke des Abends: Arvydas Malcys Konzert für Violine (Ingrida Rupaitė), Viola (Hartmut Rohde) und Streicher sowie Anatolijus Šenderovas’ „Aus dem vergessenen Buch“ mit jüdischen Texten für Tenor (Rafailas Karpis) und Streicher. Ersteres wirklich originell, musiksprachlich mit ganz eigener Note und spannend bis zum letzten Ton. Letzteres ganz auf typisch jüdische Melodik, spezifische Harmonik und jenen ambivalent zwischen Tragik und derbem Humor pendelnden Ausdruck angelegt, der für die „Vielsprachigkeit und Multikulturalität“, wie Intendant Thomas Hummel nannte, des alten, jüdischen Vilnius charakteristisch war. Das waren generell spannende Einsichten! Für den lang anhaltenden, herzlichen Applaus gab es als Zugabe und Dankeschön der Musiker noch eine kleine, schon etwas estradenhafte Abrundung: Dvořáks „Waldesruhe“ als schönster, romantischer Gesang mit David Geringas am Violoncello.