Ein begeisterndes Meisterkonzert, das sicher auch unter anderen Bedingungen ausverkauft gewesen wäre, haben am Sonntag der Starcellist David Geringas und das in Wertheim aufgewachsene Cellotalent Joel Blido im Hofgartenschlösschen gegeben.
Da auch im Saal des Schlösschens die Abstandsregeln gelten, waren nur rund halb so viele Zuhörer wie normalerweise zugelassen. Ihnen boten die beiden Musiker mit hoher technischer Sicherheit und nachdrücklichem Gestaltungswillen ein anspruchsvolles Programm.
Der Altersunterschied zwischen den beiden Künstlern beträgt mehr als 50 Jahre. Doch spätestens, wenn beide ihre Instrumente zur Hand nehmen, ist dieser vergessen. Beide sind gleichermaßen begeistert von dem »besonderen Instrument« in dessen Klang so viele Menschen verliebt sind. Die Liebe zum Cello, das notorisch im Schatten der Violine steht, war sowohl bei den Solisten als auch beim Publikum spürbar, obwohl die Akteure nicht immer nur »leichte Kost« präsentierten.
»Auftritte von so renommierten Künstlern wie David Geringas wären gar nicht möglich ohne die Unterstützung von Sponsoren und hier besonders der Brand-Schöler-Stiftung«, erklärte Stefan Blido, der im Kulturkreis für die Organisation klassischer Konzert zuständig ist. Deshalb sei es selbstverständlich, dass dieses Konzert dem Gedächtnis an den kürzlich verstorbenen großen Gönner Helmut Schöler gewidmet ist. Ihm und Wolfgang Schuller hat Joel Blido ein Stück mit Namen »Star Chasing« gewidmet, das Bestandteil des Konzerts war.
Er betätige sich sehr selten als Komponist, weil er »das nicht gelernt habe«, gestand Joel Blido. Aber weil er sich mit dem Cello gut auskenne, traue er sich das zu. Seine Komposition »Rapture« stellte er zum ersten Mal in Wertheim vor. Im zweiten Teil begeisterte er mit dem »musikalischen Denkmal« an die beiden Kunst- und Kulturförderer und seiner spannenden Mischung aus »Science Fiction, Italo-Western und Jazzelementen« das Publikum.
Anspruchsvoll auch die Werke, die zeitgenössische Komponisten wie Anatolijus Senderovas und Valentin Silvestrov dem Cellisten David Geringas gewidmet haben. Anatolijus sei der Sohn seines ersten Cellolehrers und ein Freund berichtete Geringas. Er präsentierte vier packende und tiefgründige Solostücke, die zwischen Schwermut und Heiterkeit changierten. Die einzelnen Teile seien unabhängig voneinander komponiert worden, erst später habe er sie zu einer Suite zusammen gefasst, so Geringas.
Silvestrov war so angetan vom Cellospiel Geringas, dass er eigens für ihn ein Stück komponierte. Es sei ihm beim Anhören der Aufnahme der »Sarabande« aus der Cello-Suite c-Moll (BWV 1011) von Johann Sebastian Bach eingefallen. Die »Hieroglyphen der Nacht« kombiniert mit der »Sarabande« und den »Nachklängen einer Sarabande« klang wie ein metaphorisches Gespräch mit dem großen Komponisten. Dass der mittlerweile 83-jährige Silvestrov, einer der größten Komponisten der Ukraine, mittlerweile zu den »Leisen der Zunft« gehört, verdeutlichte das Duo mit den »Fünf Serenaden« am Ende des Konzerts. Bevor er zum Neoromantiker wurde, war Silvestrov ein Avantgardist, der mit seinen Kompositionen provozierte.
Die Klammer um die zeitgenössischen Kompositionen, die das Duo spielte, bildeten eingängige Stücke von Francois Couperin und die beiden Zugaben, darunter »Der Schwan« von Camille Saint-Saens aus dem »Karneval der Tiere«.
Zur Person: David Geringas und Joel Blido
Der am 26. Juli 1946 in Vilnius/Litauen geborene Cellist und Dirigent David Geringas zählt zur Musikerelite der Gegenwart. Der Rostropowitsch-Schüler, der bereits 1970 den Tschaikowsky-Wettbewerb gewann, studierte von 1963 bis 1973 am Moskauer Konservatorium und zog 1976 nach Hamburg, wo er zunächst als erster Solocellist im NDR-Sinfonieorchester wirkte. Als Dirigent ist Geringas, der mit der Pianistin Tatjana Schatz verheiratet ist und einen Sohn hat, regelmäßig auf Podien im In- und Ausland aktiv und hat dabei viele renommierte Orchester geleitet. Sein Instrument unterrichtete er unter anderem an den Hochschulen in Hamburg, Lübeck, und Berlin. Seit 2012 arbeitet Geringas regelmäßig mit Joel Blido, der 1998 in Marburg geboren wurde und in Wertheim aufwuchs. Mit zehn Jahren wurde er als Jungstudent an der Hochschule für Musik in Würzburg angenommen und wechselte 2015 an die Hochschule Franz Liszt in Weimar, wo er derzeit einen Masterstudiengang belegt.