Wer immer sich mit Beethovens Gesamtwerk für Klavier und Violoncello befassen möchte, der darf sich mit den Leistungen des Duos Fountain – Geringas zumindest musikwissenschaftlich zuverlässig versorgt fühlen. Geringas, der aus Litauen stammende Gewinner des Tschaikowsky-Wettbewerbs 1970, und der Rubinstein-Gewinner von 1989, der zur Zeit an der Londoner Royal Academy of Music in London unterrichtende Fountain, bilden ein gut funktionierendes Gespann, dessen technische und gestaltend vitale Möglichkeiten in den schikanös turbulenten Szenen der drei ersten Sonaten kaum einen Hörwunsch übrig lassen. Dem hohen Tempo muss der Cellist zuweilen in klanglicher Hinsicht Tribut zollen, aber auf diesem Sektor der mobilen Tonschönheit vermochte in seinen besten Jahren allenfalls Rostropowitsch das Hurtige mit dem Geschliffenen zu verbinden. Unerreicht in dieser Hinsicht bleibt der ungarische Cellist Miklós Perényi, dessen ECM-Einspielung mit seinem Landsmann András Schiff ich für die im „Sprechen“ wie im „Singen“ schönste und instrumentaltechnisch souveränste halte.
Angesprochen wurde das hohe Tempo der umfangreichen Kopfsätze op. 5. Fountain macht hier mächtig Fahrt, aber zuweilen verflüssigt sich seine Diktion, tendiert unter den Anforderungen großer Einzeltonereignisse von der Geläufigkeit zur Beiläufigkeit. Dass dies nicht zum wirklichen Schaden des Gesamteindrucks ausschlägt, verdankt man dem einheitlichen Schwung des Duos. Im Verlauf der beiden Sonaten op. 102 bleibt den beiden mehr Zeit und Atem, zu formulieren und im eigenwilligen Text zu recherchieren.
Mit Sinn für unterschiedliche Stimmungen reagieren Fountain und Geringas auf die Händel- und Mozart-Vorlagen im Zuge von Beethovens populären Variationzyklen. Die zwischen Vergnüglichkeit und heilig-humanem Ernst vermittelnden Themenabwandlungen wirken ebenso resolut wie liebevoll ausgeleuchtet. Dies gilt auch für die sechs Sätze der Sonate op. 64, die den Musikfreunden eher in der frühen Version des Streichtrios op. 3 vertraut sein dürften. Eine unterhaltsame Angelegenheit nach Divertimento-Regeln mit zwei Menuetten von immerhin 42 Minuten Aufführungsdauer! Geringas und Fountain gelingt es, diese dreiviertel Stunde als Kurzweiligkeit zu verschenken.
Vergleichsaufnahmen: Sonaten Nr. 1 – 5: Richter – Rostropovich (Philips), Guttenberg – Rummel (paladino music pmr 0011), Solomon – Piatigorsky (Testament SBT 2158), A. Schiff – Perényi (ECM 472 401); Sonate op. 5,1: Horszowski – Casals (Naxos 8.110949-50); Sonate op. 69: Kempff – Grümmer (Dante HPC 076); Horszowski – Casals (Music & Arts 1113); Sonate op. 64: Tichman – Kliegel (Naxos 8.555786; Variationen: Alfred und Adrian.Brendel Philips 475 379-2).