… Bereits mit dem Eröffnungsstück, Suks „Balada e serenáda“, ist klar, wo die musikalische Reise hingeht: in eine Welt der Fantasie, in Räume mit großer dynamischer Spannkraft, in versteckte Winkel und Zonen voller Gegensätze. Das Duo Geringas-Fountain spielt, etwa bei dem wahrlich vertrackten Janácek, mit großer rhythmischer Sicherheit, und in Dvoráks „Waldesruhe“ mit überlegten gesanglichen Linien, denen glücklicherweise jede Süße abgeht.
Schmerzdurchwebt
Der Titel „Pohádka“, zu Deutsch: Märchen, bezieht sich auf ein Werk von Leos Janácek, das, ebenso wie seine literarische Vorlage, voller Rätsel steckt, auch weil es der Komponist zwei Jahre nach der Uraufführung noch um einen weiteren Satz ergänzt hat. Dieses Stück, das nach nur wenigen Takten seinen Urheber unverkennbar hervortreten lässt, hat der neuen CD mit dem Cellisten David Geringas und Ian Fountain ihren Titel gegeben. Dieses klug zusammengestellte Programm umfasst außerdem Werke von Antonín Dvorák und dessen Schwiegersohn Josef Suk sowie Lied-Bearbeitungen von Gustav Mahler. Bereits mit dem Eröffnungsstück, Suks „Balada e serenáda“, ist klar, wo die musikalische Reise hingeht: in eine Welt der Fantasie, in Räume mit großer dynamischer Spannkraft, in versteckte Winkel und Zonen voller Gegensätze. Das Duo Geringas-Fountain spielt, etwa bei dem wahrlich vertrackten Janácek, mit großer rhythmischer Sicherheit, und in Dvoráks „Waldesruhe“ mit überlegten gesanglichen Linien, denen glücklicherweise jede Süße abgeht. Auch wenn das Klaviervorspiel von „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ zwischen künstlicher Dehnung und mutig gedeuteter Langsamkeit schwankt: Sobald das Cello einsetzt, erschließt sich der Charakter dieser Abschieds-Szenerie dem Hörer mit großer Eindringlichkeit, übertroffen nur von den Schlusstakten mit dem tief brummenden Cello.
Auch die „Kindertotenlieder“ klingen in dieser Fassung und dieser Interpretation mal gekonnt schlicht, mal schmerzdurchwebt und sehnsuchtsnah. Angenehm auch, dass Geringas ein auffallend sparsames Vibrato einsetzt und so Effekte vermeidet. Glänzend naiv das Zeitmaß in „Wenn dein Mütterchen“, aufbauschend, aufbrausend das „In diesem Wetter“.
Christoph Vratz, Februar 2014
Cello im Duo: Spiel, Satz und Sieg im Märchenwald
Cello und Klavier, eine spröde Ehe? Fast nie. Altmeister David Geringas entdeckte Märchentöne, sein junger Kollege Leonard Elschenbroich setzt auf das 20. Jahrhundert. Eines eint sie: der swingende Ton, der bebt und lebt. » weiterlesen bei Spiegel Online
Werner Theurich, Juni 2013
“Pohádka – Märchen”
Mit großer Ausdruckskraft spielen sich David Geringas (Violoncello) und Ian Fountain (Piano) durch die böhmischen Märchenwälder.
Der renommierte Cellist David Geringas hat wieder mal eine CD eingespielt, die für Aufsehen sorgt. Der Musiker lebt seit vielen Jahren in Berlin und hat hier große Nachwuchstalente unterrichtet. So bekannte Solisten wie Johannes Moser und Sol Gabetta haben bei ihm gelernt. Seine neueste Aufnahme, die gemeinsam mit dem englischen Pianisten Ian Fountain entstand, bringt böhmisch-mährische Musik – Dvořák, Mahler, Janáček und Suk. Sie alle stammen aus ein- und derselben Region. Und könnten nicht unterschiedlicher sein. Dass Böhmen das Konservatorium Europas ist, wussten die Europäer schon zur Barockzeit.
David Geringas begibt sich jetzt zusammen mit dem englischen Pianisten Ian Fountain auf die Spuren der tschechischen Musik an der Schwelle zur Moderne. Seine Auswahl ist märchen- und sagenhaft. Deshalb auch der Titel der CD – Pohádka – Märchen, nach einem Stück von Leoš Janáček. Alle vier Komponisten liebten Märchen und vertonten sie, als Lieder ohne Worte oder – wie im Falle Mahlers, als Lieder eines fahrenden Gesellen oder Kindertotenlieder. Dieser textgebundene Gesang lässt sich mühelos auf das Cello übertragen.
Die Zusammenstellung der Stücke ist originell und zeugt von poetischem Feingefühl. Geringas und Fountain eröffnen mit einem frühen Stück Josef Suks, Balada a serenada. In der Serenada lässt sich – so sagt es Geringas – ein braver Soldat Schwejk heraushören. Leoš Janáček dagegen beschwört in seinem Märchen “Pohádka” einen Bösewicht herauf. Dieser Finsterling bedroht einen König und hält dessen Schwiegertochter gefangen. Pohádka ist eine aufwühlende Geschichte, voller Farben und Stimmungen. David Geringas spielt hier mit existentieller Kraft und macht das Material fühlbar: metallisch krachen die Saiten, die Bogenhaare reißen vor Anspannung. Das Holz des Cello-Korpus’ ächzt und stöhnt. Janáček hat beinahe experimentell komponiert – und Geringas gibt der Dramatik freie Bahn. Dem dreisätzigen Werk fügt der Cellist noch ein Presto hinzu, das eigentlich nicht dazugehört, aber gut die Charaktere des Märchenstücks zusammenfasst. Eine Idee, die spielerische Fantasie verrät.
Satte Melodienseligkeit spricht aus den Stücken, die Antonín Dvořák für Cello und Klavier komponiert hat. Sie wirken wie Vorübungen für das große amerikanische Cellokonzert, das bis heute berühmteste überhaupt. David Geringas und Ian Fountain haben es sich auch nicht nehmen lassen, den Salonkomponisten Dvořák zu zeigen. Fürs Cello gibt es schließlich auch eine Bearbeitung seiner berühmten vierten Nummer aus den Zigeunermelodien, die die beiden Musiker mit leichtem Augenzwinkern spielen.
Den größten Raum auf der CD nehmen die Lieder Gustav Mahlers ein, bearbeitet für Cello und Klavier – zwei davon von David Geringas selbst. Die Lieder seien Keimzellen seiner Sinfonien gewesen, meint Geringas. Überraschend vielfältig klingen sie auf dem Cello – das mal wie textgetreu singt, dann wieder ein ganzes Orchester nachahmt. Erst in dieser Form zeigen die Lieder, wie fest Mahler in der Tradition verankert ist, in der von Franz Schubert genauso wie in der seiner böhmisch-mährischen Heimat.
Mit großer Ausdruckskraft spielen sich David Geringas und Ian Fountain durch die böhmischen Märchenwälder. Und setzen damit einen lebensfreudige Akzent gegen die dunklen Gestalten der Sagen und Trauerlieder. Die toten Kinder und die verlorenen Seelen holen sie mit dieser einzigartigen CD zurück ins Leben und schaffen dabei einen Kosmos mitreißender Klangwelten.
Quelle: www.kulturradio.de
Volker Michael, kulturradio, Juni 2013
… es sind die ebenso überraschenden wie klangdelikaten Entdeckungen wie Janáčeks Pohádka oder Dvořáks Waldesruhe-Miniatur, die in ihrer erzählerischen Schönheit einfach fesseln, vor allem aber der natürliche Gestus im dialogisierenden Spiel des Cellisten und Pianisten, die sich den romantischen Stücken hingeben, ohne dass die Präzision ihres Zusammenspiels auch nur einen Ton lang litte. Das lässt die Musik bisweilen geradezu schweben – märchenhaft eben.
Rar sind sie geworden, diese CD-Glücksfälle, wo alles ineinander greift: Werkauswahl, Interpretation, das Miteinander der Musiker und selbst das Booklet. Und so hat dieses Duo-Album wahrlich etwas Märchenhaftes, und zwar nicht allein, da David Geringas und Ian Fountain sich Werken aus Böhmen und Mähren widmen, denen allesamt Märchenstoffe zugrunde liegen, der Booklettext gar wunderbar mit dem „Es war einmal“-Motiv zu spielen weiß. Nein, es sind die ebenso überraschenden wie klangdelikaten Entdeckungen wie Janáčeks Pohádka oder Dvořáks Waldesruhe-Miniatur, die in ihrer erzählerischen Schönheit einfach fesseln, vor allem aber der natürliche Gestus im dialogisierenden Spiel des Cellisten und Pianisten, die sich den romantischen Stücken hingeben, ohne dass die Präzision ihres Zusammenspiels auch nur einen Ton lang litte. Das lässt die Musik bisweilen geradezu schweben – märchenhaft eben.
Quelle: www.concerti.de
Christoph Forsthoff
“Es war einmal” … – dieser Anfang führt verlässlich in längst vergangenen Zeit, falls diese denn wirklich existiert hat. Dem Märchen widmet der Violoncellist David Geringas seine neue CD. Dabei präsentiert sich der Musiker wunderbar erzählend und tiefsinnig, aber niemals wie ein gutmeinender Opa, der die brisanten Aspekte in beschwichtigendem Ton zudeckt. Der Cellist führt zu rätselhaften Begebenheiten und in die Tiefe.
Es ist eine kluge und musikalisch stimmige Auswahl zum Thema Märchen. Neben einem Frühwerk Josef Suk stehen u. a. “Waldesruhe” von Antonin Dvorak und “Märchen” von Leoš Janáček. Der hat sich tatsächlich eine Erzählung als Vorlage für seine Komposition ausgewählt. Bei der Uraufführung von “Pohádka” in Brünn hat Janacek dem Publikum zuvor das Märchen vorgelesen. Allerdings ist es für das Verständnis nicht zwingend, den Handlungsverlauf zu kennen. Janaceks fast impressionistische Klanggebung bringt einen mit wenigen Tönen in eine Welt von Geheimnissen, Infragestellungen und Unsicherheiten.
Der Violoncellist David Geringas und sein fantastischer Begleiter Ian Fountain sind ausdrucksstarke Wegbegleiter auf dieser Erkundungstour. Sie scheuen weder harsche Zuspitzungen noch die besänftigende Melodie. Vor allem aber nehmen die beiden eine erzählende Haltung ein. Auch ohne Worte lassen sie uns tiefe Rätsel erleben und sogar verstehen!
Über die erzählerische Grundhaltung der Musiker fügen sich auch Lieder von Gustav Mahler in diesen überwiegend böhmisch-mährisch geprägten Klangraum ein. Mahlers für Violoncello transkribierte “Kindertotenlieder” gestaltet Geringas etwas betonter, deutlicher, als das ein Sänger tun würde – und ersetzt so das Wort. Der Tonumfang des Violoncellos entspricht ohnehin der menschlichen Stimme. Eine rundum gelungene CD. Oder treffender: Ende gut, alles gut.
Quelle: www.br.de
Elgin Heuerding, Mai 2013