Offensichtlich vertraut mit der musikalischen Sprache Hindemiths halten David Geringas und Ian Fountain überzeugende und eindringliche Interpretationen der Werke für Cello und Klavier auf CD fest.
Hindemiths Drei Stücke für Violoncello und Klavier op. 8 wurden am 12. März 1917 in Frankfurt durch den niederländischen Cellisten Maurits Frank uraufgeführt. Frank war dem Komponisten als musikalischer Freund und Begleiter eng verbunden. Die drei Werke zeigen deutlich, wie Hindemith mit der einen Hand zu den ihm noch bekannten Formen und Sprachen greift, zumal diese drei Werke stark an das romantische Charakterstück erinnern, die andere Hand aber nach Neuem ausstreckt. Dieser Ambiguität zeigt sich im Notentext, und es verlangt den Interpreten höchste Konzentration und analytisches Denken ab, das Vertraute und Neue in Hindemiths Sprachverbindung zusammenzuführen.
Das ‚Capriccio‘ weist in seinen Eckteilen einen frechen und verspielten Charakter auf; es wirkt wie ein übermütiger Witz mit parodistischem Einschlag, der wiederum durch einen nachdenklichen introvertierten Mittelteil ausgeglichen wird. Durch scharfe Akzentuierung und geschickte Phrasierung lassen die beiden Interpreten deutlich werden, wie Cello und Klavier sich auf engstem Raum Motive, Floskeln und auch längere Melodielinien zuwerfen. Die Cello-Kantilenen im Mittelteil breiten sich in einem warmen und durchdringenden Legato aus. Kontrastierend dazu steht die dynamische und artikulatorische Variabilität in einigen Passagen. So verleiht der Cellist einigen langen Tönen eine besondere Färbung. Dieser Effekt beweist untrüglich die überzeugende artikulatorische Fähigkeit des Cellisten Geringas, dessen subtile Herangehensweise mit seiner meisterhaften Virtuosität übereinstimmt. Motive und kanonische Antworten werden vom Pianisten sehr elegant eingeblendet, oftmals mit einem dynamisch gesteigerten Eintritt.
Das Phantasiestück weist in seinem romantisch-schwelgerischen Ausdruck einen poetischen Charakter auf, der sich an die Musik Robert Schumanns anlehnt. Die fließende Anlage des Klavierparts wird vom Pianisten mit sehr weichem Anschlag souverän geführt, die Cello-Kantilenen werden zärtlich wiedergegeben. Die ausladenden extrovertierten Passagen werden großzügig phrasiert und hervorgehoben, wobei das aus aufwärtsgerichtete Quarte und fallender Sekunde bestehende Motiv beleuchtet wird. Gleichberechtigt und in völliger Eigensinnigkeit rasen die Klavier- und Cellostimmen von Takt zu Takt, fast orientierungslos. Aus diesem chaotisch erscheinenden Experiment nimmt eine neologistische musikalische Sprache Hindemiths ihren Ausgang, die sich zunehmend von der Euphonie distanziert. Die beiden Interpreten zeigen in den hochvirtuosen Passagen keinerlei Schwächen. Das Tempo und die komplexe rhythmische Ordnung werden eingehalten, stets begleitet von einer suggestiven Präzision in der Artikulation, zumal in der Musik Hindemiths die präzise Einhaltung von Artikulationsvorschriften obligatorisch ist. So etwa auch im Scherzo, bei dem Hindemith alle romantische Schwelgerei aufgelöst haben zu scheint. Kalt und sarkastisch springt die einleitende kleine Sekundehoch und fällt in die Tonika, womit eine hochvirtuose Welle ausgelöst wird, die sich durch Chromatik in ihrem sarkastischen Charakter verfestigt. Das agogische Fortschreiten der Interpreten beweist ein untrügliches Zeitgefühl. Das Beschleunigen und ständige Abbremsen ist weder einschätzbar noch vorhersehbar, wodurch die Interpreten mit der Erwartungshaltung des Rezipienten spielen und höchste Aufmerksamkeit abverlangen.
Das Hauptthema wird in der Artikulation varibel wiedergegeben und die marschartigen Tonrepetitionen im Bass vom Pianisten klar und im scharfen Staccato eingeworfen. Das Marschmotiv wird am Ende fokussiert, jedoch kompositorisch gespalten: Der Pianist bringt die ersten tiefen Töne des Motivs ein und der Cellist vervollständigt es im ebenfalls tiefen Pizzicato, wodurch sich beide Stimmen nicht nur rhythmisch komplementieren, sondern ebenso eine bezwingende klangliche Nähe zwischen beiden Instrumenten hergestellt wird.
‚Da haben wir in Donaueschingen mal ein Wettkomponieren von Cellosonaten gemacht, vier Sätze habe ich an dem Abend geschrieben‘, gibt Hindemith Auskunft über die Entstehung seiner Sonate fürVioloncello solo op. 25 Nr. 3.Die Uraufführung des insgesamt fünfsätzigen Werkes fand am 6. Mai 1923 in Freiburg statt. In den fünf Jahren seit 1917 hat Hindemith seinen Stil kontinuierlich geschärft und verfestigt. Die Cello-Solosonate verlangt dem Interpreten technische wie musikalische Reife ab. Sie lebt von ausdrucksstarker, melodischer Gestaltung, die wiederum mit dem melodischen Sentiment des Cellisten eine effektive Symbiose eingeht. Es ist hoch-virtuos und atmet einen rhythmisch-tänzerischen Schwung ebenso wie lyrische Introspektion. Geringas gibt die unterschiedlichen Stimmungen der Sätze kongenial wieder. So überzeugt er vor allem im langsamen dritten Satz, worin die Auflösungen sehr elegant ausgeführt werden und Zäsuren gut gehalten sind. Auch im siebten Satz mit der Charakter- bzw. Tempoangabe ‚Lebhafte Viertel‘ wird jede einzelne Note mit Bedacht behandelt und trotz der schnellen Repetitionen präzise artikuliert.
In der ‚Meditation‘ für Violoncello und Klavier aus dem Ballett ‚Nobilissima Visione‘ werden die Klangfarben des Orchesters kaum vermisst. Ruhig und gelassen fließt die Musik, klangintensiv und sinnlich. Die melodischen Bögen werden vom Cellisten sehr groß gestaltet und der vorwiegend begleitende und häufig kontrapunktierende Klaviersatz sensibel und doch markant wiedergegeben. Die beiden Instrumente folgen sich in einer dynamischen Entwicklung und treffen an Höhepunkten aufeinander.
Im ersten Satz der zweisätzigen Cellosonate op. 11 Nr. 3 werden rezitativische und lyrische Passagen kontrastierend eingeflochten. Die atemlose Rasanz, die nicht selten parallel in Cello und Klavier gleichzeitig auftritt, fordert eine präzise Abstimmung der beiden Interpreten. Den Satzcharakter ‚Mit Kraft‘, der wiederum typisch für Hindemiths neobarocken Stil dieser Zeit ist, gibt die Interpretation deutlich und angemessen wieder. Ein summender langer Ton, dessen Qualität bereits aus den ‚Drei Stücken‘ bekannt ist, wird vom Cellisten eingeblendet und lange angehalten. Die langen voll klingenden Unisono-Passagen ziehen Aufmerksamkeit auf sich, der Tritonus gewinnt einen diabolischen Ausdruck und wird spontan eingeworfen. Von legato, über portato bis hin zum scharfen Staccato werden die aus Wechselnoten bestehenden Ketten in der Klavierstimme differenziert vorgestellt.
Vielfältig und reich an Stimmungen und Ausdruckswerten ist diese CD ohne Zweifel, und die intellektuelle Strenge der beiden Interpreten engt die Wirkung keinerlei Weise ein. So hört man der Sprache Hindemiths zu Beginn aufmerksam zu, fängt an sie im Verlauf der Interpretationen zu verstehen und spricht sie am Ende fast selbst.