Wie kaum ein anderer Komponist der Gegenwart hat Alfred Schnittke Daseinserfahrungen des Fin-de-siècle in Tönen aufgefangen. Über Landesgrenzen und Kontinente hinweg empfinden Menschen seine Musik als Widerklang ihrer eigenen Wundmale, Verluste und Sehnsüchte – Gefühle, die in der Sprache der Wörter kaum sagbar sind; Ahnungen, an die das Wort nicht heranreicht. Wie sonst wäre es zu erklären, daß sein Schaffen weltweit als Klangspiegel unserer Zeit, als Schattenwurf einer Zeitenwende wahrgenommen, gefeiert und preisgekrönt wird? Gewiss scheint aber auch: Hätten hervorragende Virtuosen aus der ehemaligen Sowjetunion, von denen einige die öffentlichen Bevormundungen und Maßregelungen nicht mehr aushielten und emigrierten, hätten der Geiger Gidon Kremer, die Cellisten Mstislav Rostropowitsch, David Geringas und Natalia Gutman seine Musik nicht in die Metropolen Westeuropas, Amerikas und Japans getragen – Schnittkes Tönewelt wäre nicht binnen weniger Jahre von Stockholm bis New York, von London bis Tokio so tief in die Herzen der Musikhörer gedrungen, daß es Veranstaltern lohnend erschien, ganze Konzertzyklen und Schnittke-Festivals aufzulegen. Erst unter dem Druck seines Erfolgs »im Westen« ließ die Behinderung seiner Musik in der Sowjetunion nach. Schnittkes Werke für und mit Violoncello (zwei Konzerte 1985/86 und 1990, zwei Sonaten 1978 und 1994, Concerto grosso Nr. 2 1981/82, Konzert zu dritt 1994, Epilog zu Peer Gynt 1993, Klavierquintett 1972-76, Streichtrio 1985 u.a.m.) nehmen im Repertoire von David Geringas eine zentrale Stellung ein. »Schnittkes Musik ist ein Teil meines Lebens«, bekennt der Cellist. Rund um den Globus leistete David Geringas, meistens mit seiner Frau Tatjana am Flügel, Pionierarbeit für die Cellomusik Alfred Schnittkes. So spielt das Künstlerpaar kaum ein wichtiges Recital, ohne daß ein Stück von Alfred Schnittke auf dem Programm steht