Cello und Klavier, eine spröde Ehe? Fast nie. Altmeister David Geringas entdeckte Märchentöne, sein junger Kollege Leonard Elschenbroich setzt auf das 20. Jahrhundert. Eines eint sie: der swingende Ton, der bebt und lebt.
Wenn nur alles so üppig sprießen würde wie der Nachwuchs an Cello-Solisten! Wer in dieser Champions League mitspielen will, muss sich allerdings schnell profilieren, da die Literatur für Cello solo nicht unendlich vorhanden ist. Der 1985 in Frankfurt geborene Cellist Leonard Elschenbroich punktete 2009 beim Schleswig-Holstein Musikfestival und gewann dort den Bernstein-Preis. Sein Paarlauf mit Anne-Sophie Mutter im Brahms-Doppelkonzert unter Christoph Eschenbachs Leitung überzeugte, der junge Mann wuchs zu einem international angesehenen Virtuosen heran. CDs von ihm gibt es noch nicht viele, aber seine neue Veröffentlichung mit russischer Kammermusik bestätigt den Ruf von Elschenbroichs elegantem Celloton.
Die Sonate op. 19 von Sergej Rachmaninow bietet diesem Ton nun beste Entfaltungsmöglichkeiten. Kleine Reibereien inbegriffen: Man hört dem Klavierpart hier jederzeit an, dass der Komponist selbst als prankenfester Tastentitan unterwegs war. Der Cellist muss schon selbstbewusst zugreifen und einen sicheren Strich gegen die Wucht des Pianos aufbieten. Elschenbroich antwortet nicht mit Gewalt, sondern mit sanglichem, biegsamen Ton – was zu einer ungemein packenden Symbiose aus Sentiment und Kraft wie im dramatischen Allegro scherzando der Sonate führt. Mehr als nur einen Begleitpart spielt der auftrumpfende Alexei Grynyuk (seit einigen Jahren schon mit Elschenbroich aktiv), der die eloquenten Linien von Rachmaninows Klaviersatz pointiert herausarbeitet: Beide profitieren von diesem Teamwork. Ergebnis: Sieg in vier munteren Sätzen, bis hin zum beseelt perlenden Allegro mosso.
Kraftvoller Rachmaninow
Als nettes Bonbon überrascht die Bearbeitung von Dmitri Schostakowitschs Viola-Sonate op. 147, die der russische Cellist Daniil Shafran (1923-1997) für sein Instrument besorgt hat. Elschenbroich schreibt darüber interessant in den Liner Notes zu seiner CD, die mit ihrer Dezenz und Klangkultur, nicht vordergründiger Hexerei überzeugt.
Inspiration kam eventuell auch aus deutschen Landen: Wenn auch Leonard Elschenbroich kein Schüler des im Hamburg lebenden litauischen Cellisten David Geringas ist, so mag sein biegsamer Ton dem älteren Meister abgelauscht sein. Geringas’ jugendlich frische Einspielungen der sechs Bach-Suiten von 2011 sind noch in lebhafter Erinnerung. Ebenfalls mit Klavier als Sekundanz spielte er nun ein gleichfalls eigenwilliges Programm namens “Pohádka” ein, das seinen Klangsinn und seine sportive Brillanz dieses Mal in spätromantischem Gewand vorführt. Die Kompositionen von Dvorak, Suk, Janacek und – Achtung – Gustav Mahler gehören nicht zum gängigen Repertoire. Ein großer Spaß, denn diese zwei Instrumentalisten teilen ihre Entdeckerfreude mit Temperament und überlegener Spieltechnik.
Poesie und Spannung bei Janácek
Wenn David Geringas diese Stücke im Konzert vorträgt, so wirkt er konzentriert und entspannt zugleich: Klar fließt sein meditativer Ton. Der tänzerische Wirbel seiner Bach-Interpretationen lebt in den eingängigen Stücken von Anton Dvorak und Josef Suk fort, mit denen seine CD beschwingt startet. Und dem spröden, kräftig gezupften “Pohádka” (Märchen) von Leos Janácek (1854-1928) gibt er Poesie und Erzähl-Fluss. Auch hier sind die liebevollen Begleittexte der CD erwähnenswert, die nicht nur das “Märchen” darstellen, auf welches sich Janácek bezieht, sondern auch die Entstehung der Mahler-Bearbeitungen durch den russischen Pianisten und Heinrich-Neuhaus-Schüler Viktor Derevianko erläutern.
Diese kammermusikalische Version von bekannten Kompositionen wie den “Kindertotenliedern” oder dem bewegenden “Ich bin der Welt abhanden gekommen” aus den Rückert-Liedern fordert von den Interpreten die Entwicklung eines eigenen Mahler-Tones, denn Kammermusik gibt es vom Komponisten praktisch nicht. Dass dies so überzeugend gelingt, geht auch auf das Konto des britischen Pianisten Ian Fountain, der 1989 mit 19 Jahren als jüngster Pianist den Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv gewann. Wunderbar ergänzen sich sein kraftvolles, expressives Klavierspiel mit Geringas’ federn-leichtem Cello-Ausdruck. Wie so oft bei perfekten Paaren: Gegensätze ziehen sich in diesem Kammermusik-Match nicht nur an, sondern verstärken die Wirkung – ein altersunabhängiges Phänomen.