David Geringas und Ian Fountain haben eine einlässliche und überzeugende Gesamteinspielung von Beethoven Oeuvre für Cello und Klavier vorgelegt.
Die – es sei nicht verhohlen – leise Befürchtung, unter den Händen von David Geringas würde aus den Beethovenschen Sonaten ein Korpus romantischer, zerfühlter Werke werden, findet sich nicht bestätigt, ja ent-täuscht. Geringas hat mit seinem Klavierpartner Ian Fountain eine klassisch runde, abgeklärte und intensive Deutung dieser Höhenkämme des cellistischen Kanons vorgelegt. Gewiss kann David Geringas nicht aus der Haut seines dichten, nervösen Vibratos. Aber die Spannweite der Tongebung, die dem Künstler zur Verfügung steht, die Noblesse des Tons und die Plötzlichkeit der Reaktionen im Zusammenspiel der beiden Musiker überwiegen, prägen den Vordergrund. Gewiss scheint hier ein anekdotisches Potential umgekehrt, indem die maximale Krafteinwendung auf das Instrument oder das Kippen der Kerzenständer auf dem Instrument, das man dem Pianisten Beethoven nachgesagt hat, dieses forsche Zupacken, auf das Solocello übergegangen ist, während Ian Fountain so gemessen und kultiviert das Klavier perlen lässt, wie man es nur wünschen kann. Aber so ganz ohne harsche Attacken, ohne vulkanische Ausbrüche kann man keinen Beethoven spielen. Und: Ohne Zartheit, Bewusstheit und Überblick in der Gestaltung kann es keine Ausbrüche gegen, nirgends.
Kennerschaft und Impulsivität
Neben den fünf kanonischen Sonaten (den beiden op. 5, dem op. 69 und den beiden op.102) und den drei Variationszyklen über Themen aus Händels ‘Judas Maccabaeus’ (WoO 45) und Mozarts ‘Zauberflöte’ (op. 66 und WoO 46) haben Geringas und Foutain auch die Bearbeitungen ursprünglich anders besetzter Werke aus Beethovens eigener Feder in die Sammlung der drei CDs aufgenommen: die F-Dur-Sonate op.17, ursprünglich für Horn und Klavier, sowie die Duosonate für Cello und Klavier op. 64, die aus dem Streichtrio op. 3 hervorgegangen ist. Dass es sich bei letzterer in Beethovens Augen offenbar um mehr als eine Bearbeitung handelte, zeigt die Vergabe einer neuen Opuszahl. Die Kennerschaft, die sich in der überblickenden Interpretation der beiden Musiker abbildet, überrascht nicht mehr (und erfreut weiterhin), wenn man berücksichtigt, dass die Gesamteinspielung zudem von einem editorischen Projekt flankiert wurde: Geringas und Fountain haben 2008 die Stimmen je ihres Instruments in diesen Werke für die Urtextausgabe sämtlicher Werke Beethovens im Münchner Verlagshaus G. Henle eingerichtet.
Schnelle Kraft der Reaktionen
Bestechend ist sowohl die Leichtigkeit, mit der die Schlusssätze etwa der A-Dur-Sonate op. 69 oder der g-Moll-Sonate op. 5,2 vorgetragen werden, als auch die Vehemenz, mit der so manche rasante Stelle zu brodeln beginnt – wenn hier zuweilen (selten!) im Bersten der musikalischen Energien nicht immer alles klar nachvollziehen ist, ist es doch im Hinblick auf die Gesamtwirkung durchaus zu verstehen. Geringas und Fountain sind ein eingespieltes Team, die neben zahlreichen Auftritten auch Werke etwa von Rachmaninow und Mendelssohn-Bartholdy auf CD vorgelegt haben. Ihre gemeinsame, ganz ineinander verzahnte Reaktionsschnelligkeit und -intensität bewegt sich auf kammermusikalisch höchstem Niveau. Die Wechselfälle des Ausdrucks kommen zur Geltung und überzeugen einmal mehr, nicht nur die der Interpretation, sondern auch des Neuen von Beethoven selbst. Das ‘Allegro fugato’, der letzte Satz in der letzten beethovenschen Duosonate, 1815 vom bereits tauben Komponisten geschaffen, zeigt eine gespannte Vielfalt, ein ganzes Spektrum – die Welt wenn schon nicht in einem Wassertropfen, so doch in einem vierminütigen Fugato.