Sicher war der zeitlebens von schweren Depressionen geplagte Sergej Rachmaninow auch ein Salonmusiker – aber eben nicht nur, wie diese Aufnahme zu suggerieren scheint. Selbst das einzige substantielle Werk, die Sonate g-Moll, wirkt in Geringas‘ Interpretation und im Kontext meist arrangierter Melodien, Lieder oder Préludes manches Mal salonparfümiert. Hinzukommt, dass das Spiel des mittlerweile 63-jährigen Rostropowitsch-Schülers aus Litauen zwar noch viel Gespür für Nuancen hat, im Ganzen aber eher kraftlos wirkt und im Vibrato etwas ausgeleiert. Denn wenn man schon so einen Kranz leichtverderblicher Blüten windet, dann sollten diese doch wenigstens für den Moment leuchten – und das tun sie hier nicht. Oder nur ganz selten. Der Booklettexter legt großen Wert darauf, Rachmaninows Beziehung zur Dichterin Marietta Shaginian nachzuzeichnen, welch großen Einfluss sie gehabt hätte auf die späten Lieder des Komponisten: „Normalerweise versuchte ich“, wird Shaginian zitiert, „ihm (die Gedichte) ‚vorzulesen‘ … So demonstrierte ich ihm den inneren Klang der Verse.“ Für Rachmaninow war das gewiss eine Erweckung. Nur bleibt davon nicht viel übrig, wenn man diese Lieder „ohne Worte“ auf dem Cello spielt …
Relativ gelungen ist dennoch die Sonate, etwa in den Scherzoteilen des zweiten Satzes oder im finalen Allegro mosso, wenn das Spiel des Cellisten einmal tatsächlich Biss hat (und vom Klavierbegleiter Ian Fountain darin geschickt unterstützt wird). Darin findet dann doch eine Verschränkung beider Rachmaninow-Persönlichkeiten statt, des sehr ernsthaften, manchmal geradezu apokalyptischen Musikers (Sinfonische Tänze!) – und des melancholischen Salon-Dandys. In sanglichen Passagen neigt Geringas zwar auch hier zum Knödeln, aber im Kontext beeindruckt die Lesart. Es werden eben nicht Blumen am Wegesrand gepflückt, das Stück hat einen emotionalen Bogen. Reicht das? Zwar nimmt die Sonate etwa die Hälfte der Gesamtspielzeit ein, aber warum konfrontiert man sie nicht (wie Andere es tun) der so andersartigen Cellosonate von Richard Strauss, komponiert etwa zur selben Zeit, mit der Aufschwungsemphase des eher Manischen als Depressiven? So ist Rachmaninows Sonate lediglich umzingelt von Repertoiresplittern, deren überflüssigster auch noch am Ende steht: die nicht zum Schweigen zu bringende Vokalise cis-Moll. Wie titelte mal die Berliner Morgenpost: „David Geringas entlockt seinem Cello stille Tränen“. So kann man’s natürlich auch sagen.