David Geringas und das Acies-Quartett gehen eine ideale Schubert-Partnerschaft ein.
Das Acies-Quartett mit Benjamin Ziervogel, Raphael Kasprian (Violine), Manfred Plessl (Viola) und Thomas Wiesflecker (Cello) zählt zu den jüngsten Ensembles auf der kammermusikalischen Bühne. Gramola hat es mit David Geringas, wahrhaftig einem alten Meister, zusammengeführt, um Schuberts Streichquintett und die c-moll-Ouvertüre D 8 (Arrangement: Geringas) zur Aufführung zu bringen. Das Ergebnis macht Eindruck.
Geringas und das Acies-Quartett lassen durchwegs ein besonderes Talent für Sforzato-Effekte und Beleuchtungswechsel auf engstem Raum erkennen, welch letztere, ohne den melodischen Zusammenhang zu zerstückeln, die Szene binnen Augenblicken neu definieren. Das ‘Adagio’ ist breit, aber nicht schleppend, vergeistigt, aber nicht mystifizierend. Am suggestivsten: das Scherzo. Ohne zu lärmen, entfesseln die Musiker einen Furor, den wenige Schubert-Interpreten erreichen, geschweige denn übertreffen. Manche Akkorde kommen wie Handkantenschläge. Der Mittelteil wird ungewöhnlich langsam entfaltet, mit beinahe auf Bruckner vorausdeutender Weitatmigkeit. Dem Scherzo wächst ein Gewicht zu, das seinesgleichen selten zugebilligt wird – eine unorthodoxe Lesart, doch konsequent und glaubhaft durchgeführt.
Die Klanggestalt lässt metallenes Schimmern erkennen. Der Barocksaal Stift Vorau trägt saftigen Hall bei. Nervöses, enges Vibrato macht jeder dreimäderlhaushafter Gemütlichkeit den Garaus (wenn solche beim heutigen Schubert-Verständnis überhaupt zu befürchten ist). Mehr als einmal verstehen sich die Celli zu bordunartigen Liegeklängen. Geigen und Bratsche zeigen viel Gespür für unbewegt im Raum kreisende Klangflächen. Auch hier kommt Bruckner in den Sinn.
Das Booklet zitiert Marcel Prawy mit den Worten, von Richard Wagner‘ kenne ‚das breite Publikum […] 90 Prozent‘ der Werke, ‚von Schubert vielleicht 10 Prozent‘. Auch die c-moll-Ouvertüre für Streichquintett kann als Schubert-Entdeckung gelten. Sie datiert vom Sommer 1811, der Komponist ist vierzehn. Mögen sich thematische Substanz und Momente der Düsternis Schuberts Vorlage: ‘Faniska’, der Oper Cherubinis, verdanken – eindrucksvoll bleibt, wie mancherlei Dissonanzen und zielloses rhythmisches Kreisen das Spätwerk antizipieren. Jungen und ‚alten’ Franz Schubert, Vergessenes und Berühmtes, sinnvoll verbunden zu haben, ist eine respektable Leistung der Musiker um Geringas.
Walter Gürtelschmied steuert einen hochrespektablen Bookletessai bei, der – ohne die Geduld des Laien zu strapazieren – kompetente Innenansichten Schubertschen Komponierens bietet. Das Streichquintett wird durch motivische Bezüge zu Schubertschen Liedern zum Sprechen gebracht. Die Überlegungen zur außergewöhnlichen Klanggestalt des mit zwei Celli besetzten Quintetts beschreiben zugleich die Interpretation durchs Acies-Quartett und Geringas, die mithin das ‚Wesen’ dieses Musikstücks trifft: ‚Möglicherweise liegt der Grund für die Besetzungsabweichung […] in der Erinnerung an das zehn Jahre zuvor entstandene, ebenfalls ungewöhnlich Klavierquintett (‚Forellenquintett‘) D 667. Wie bei diesem nämlich sind auch hier dem von der Baßfunktion befreiten Cello exponierte Partien übertragen, die das Instrument als Melodieträger in klangvoller Tenorlage zu schönster Geltung kommen lassen. […] Das Resultat ist jedenfalls zum einen eine dunklere, sonore Timbrierung des Klanges insgesamt, zum anderen eine Differenzierung der Farbigkeit und Intensivierung des Ausdrucks in der Mittellage.‘ Dieses Werk ‚tendiert […] dazu, die Grenzen der Kammermusik zu überschreiten.‘